Koalition
Das aus dem Lateinischen stammende Wort Koalition lässt sich mit Vereinigung, Zusammenschluss oder Verbindung übersetzen. Es steht für Zusammenschlüsse oder Bündnisse von Staaten, Parteien oder Organisationen, die der Durchsetzung gemeinsam vereinbarter Ziele dienen. Bezogen auf Staaten und Parteien handelt es sich dabei typischerweise um temporäre, auf Zeit geschlossene Bündnisse – bei den Staaten wäre zum Beispiel die Anti-Hitler-Koalition im Zweiten Weltkrieg zu nennen –, während die Koalitionen von Organisationen auch auf Dauer angelegte Vereinigungen einschließen. In Deutschland betrifft das vor allem die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Das in Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes gewährte Recht der Beschäftigten und Unternehmen, sich zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zusammenzuschließen, wird als Koalitionsfreiheit bezeichnet (Grundrechte) und stellt die Grundlage der Tarifautonomie dar.
Am gebräuchlichsten ist der Begriff Koalition für Zusammenschlüsse von zwei oder mehr Parteien, die eine gemeinsame Regierung bilden oder unterstützen. In parlamentarischen Regierungssystemen mit Verhältniswahlrecht ist das nahezu unumgänglich, da eine Partei allein die zur Regierungsbildung notwendige Mehrheit kaum erreichen dürfte – nur in Ländern mit Mehrheitswahl wie Großbritannien bleibt das der Regelfall. Die meisten Koalitionen basieren auf förmlichen Vereinbarungen, die zwischen den beteiligten Partnern für gewöhnlich eine Legislaturperiode geschlossen werden.
Für parlamentarische Systeme ist charakteristisch, dass sich die Koalitionspartner verpflichten nicht „fremdzugehen“, das heißt Gesetzgebungsmehrheiten zusammen mit anderen Parteien zu suchen. Regierungskoalition und Oppositionsparteien stehen sich als Blöcke gegenüber. In präsidentiellen oder quasi-präsidentiellen Systemen wie den USA, der Schweiz und der Europäischen Union prägen demgegenüber eher Abstimmungskoalitionen das Bild, bei denen die Mehrheitskonstellationen je nach Sachfrage variieren können. Einen mittleren Weg beschreiten Minderheitsregierungen. Hier tragen eine oder mehrere Parteien eine Einparteien- oder Koalitionsregierung mit, indem sie diese ins Amt bringen und ihr Mehrheiten in der Gesetzgebung verschaffen, ohne selbst (mit eigenen Ministern) in sie einzutreten. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Minderheitsregierungen in den skandinavischen Ländern, während sie in der Bundesrepublik aufgrund der nachwirkenden Erfahrungen der Weimarer Republik eher verpönt bleiben.
Koalitionen lassen sich nach der Zahl, den Größenverhältnissen und dem ideologischen Abstand der in ihr vertretenen Parteien unterscheiden. In der Bundesrepublik dominierten bis Mitte der 2000er Jahre „kleine“ Zweierkoalitionen, die von CDU/CSU oder SPD mit der FDP und später den Grünen gebildet wurden und sich durch eine relativ starke programmatische Nähe der Partner auszeichneten. Große Koalitionen waren bis Mitte der 1950er Jahren nur in den Ländern häufiger anzutreffen. In der Politikwissenschaft versteht man darunter ein Bündnis der beiden stimmenstärksten Parteien, was hierzulande lange Zeit mit einer Koalition von Union und SPD identisch war. Die Pluralisierung des Parteiensystems und das Erstarken von – als nicht koalitionsfähig geltenden – linken und rechten Randparteien hat dazu geführt, dass Bündnisse inzwischen fast nur noch über die Lagergrenzen hinweg gebildet werden und zwei Parteien zur Mehrheitsbildung oft nicht mehr ausreichen. Damit sich hat sich auch die Begrifflichkeit verändert. Sprach man früher von bürgerlichen oder sozialliberalen Koalitionen, werden die Bündnisse heute nach Parteifarben sortiert und mit einer – bisweilen etwas albern anmutenden – Flaggenmetaphorik versehen („Jamaika“-Koalition aus Union, Grünen und FDP, „Kenia“-Koalition aus Union, SPD und Grünen, „Deutschland“-Koalition aus Union, SPD und FDP).
Mit dem Wandel des Parteiensystems ist die Koalitionsbildung unüberschaubarer und komplizierter geworden. Wer mit wem zusammengeht, hängt von einer Vielzahl schwer entwirrbarer Faktoren ab: dem Interesse der Parteien, Ämter zu besetzen, den programmatischen und ideologischen Nähen der potenziellen Partner, der innerparteilichen Unterstützung für die möglichen Bündnisse, der „Chemie“ zwischen den maßgeblichen Akteuren. Auch vorab getroffene Koalitionsaussagen – positive wie negative – können eine Rolle spielen. Dass die Parteispitzen in einem Sechs- oder Siebenparteiensystem immer weniger bereit sind, solche Festlegungen zu treffen, ist strategisch nachvollziehbar – nur so halten sie sich bei der Koalitionsbildung möglichst viele Türen offen. Aus demokratischer Sicht ist das ärgerlich, weil die Wähler damit nicht sicher wissen, in welches Regierungsbündnis ihre Stimme für eine bestimmte Partei letztlich fließt.
Im Grundgesetz und den ihm nachgelagerten Gesetzen über die obersten Staatsorgane kommen Koalitionen nicht vor. Ihre Bildung und ihr Management folgen ungeschriebenen Regelungen, die sich in jahrzehntelanger Praxis herausgebildet haben. Darunter fällt zum Beispiel das Prinzip, dass innerhalb einer Koalition die an Sitzen stärkste Kraft Anspruch auf das Amt des Regierungschefs hat. Üblich ist auch, dass die kleineren Partner bei der Ressortverteilung tendenziell begünstigt werden, also mehr Ministerien erhalten, als ihr nach dem Stärkeverhältnis eigentlich zustehen (Bundesregierung).
Förmliche Koalitionsvereinbarungen gibt es in der Bundesrepublik seit 1961. Neben den geplanten Gesetzesprojekten, die den meisten Platz einnehmen, regeln die Vereinbarungen die Ressortverteilung und die Arbeitsweise der Koalition. Der Trend zu lagerübergreifenden Dreierkoalitionen seit Mitte der 2000er Jahre spiegelt sich in der längeren Dauer der Koalitionsverhandlungen und zunehmenden Detailliertheit der Koalitionsverträge. Dies liegt auch daran, dass den Verhandlungen Sondierungsgespräche vorangehen, in denen die potenziellen Partner erst klären, mit wem (und mit wem nicht) sie eine Koalition überhaupt eingehen möchten. Nach Abschluss der Koalitionsvereinbarungen müssen diese von Parteitagen und / oder der Parteibasis bestätigt werden, erst danach erfolgt in der Regel die Besetzung der Ressorts. Für das Koalitionsmanagement während der Wahlperiode wird ein aus den Spitzen von Partei, Fraktion und den maßgeblichen Regierungsmitgliedern zusammengesetzter Koalitionsausschuss gebildet. Dieser soll Streitigkeiten zwischen den Partnern ausgleichen und die anstehenden Regierungsvorhaben, die über den Koalitionsvertrag womöglich hinausgehen oder von diesem abweichen, einvernehmlich festlegen.
© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)