Freiheits- und Einheitsdenkmal
Das Freiheits- und Einheitsdenkmal ist ein im Bau befindliches Denkmal, das an die Friedliche Revolution in der DDR und die Wiedergewinnung der deutschen Einheit erinnern und zugleich die freiheitlichen Bewegungen und Einheitsbestrebungen der vergangenen Jahrhunderte würdigen soll. Es entsteht an der Schlossfreiheit in Berlin vor dem Humboldtforum, das im wiederaufgebauten Stadtschloss untergebracht ist. Seine Fertigstellung sollte ursprünglich bis zum 30. Jahrestag der Maueröffnung im Jahre 2019 erfolgen, doch ließ sich dieser Termin wegen der zu spät aufgenommenen und auch danach immer wieder verzögerten Bauarbeiten nicht einhalten. Die Eröffnung des Denkmals ist jetzt für 2024 geplant. Sie wird also, wenn es keine weiteren Verzögerungen gibt, in das 75. Gründungsjahr der beiden deutschen Staaten fallen.
Das Denkmal hat eine lange Vorgeschichte. Die erste Initiative ging 1998 von Jürgen Engert, Lothar de Maizière, Florian Mausbach und Günter Nooke aus. Sie mündete in einen überparteilichen Gruppenantrag im Deutschen Bundestag, der im April 2000 eingebracht wurde, trotz einer Reihe von prominenten Mitunterzeichnern wie der späteren Bundeskanzlerin Angela Merkel dort aber keine Mehrheit fand. 2005 wurde die Initiative von der Deutschen Gesellschaft e.V. neu aufgegriffen. Als überparteilicher Trägerverein der politischen Bildung war diese im Januar 1990 von prominenten Repräsentanten des öffentlichen Lebens der DDR und der Bundesrepublik ins Leben gerufen worden, um das Zusammenwachsen der zu der Zeit noch getrennten Staaten zu fördern. Der Verein richtete einen Arbeitskreis ein und führte zahlreiche Veranstaltungen durch, um Unterstützung für das Projekt zu gewinnen. Dieses nahm die entscheidende Hürde, als der Bundestag am 9. November 2007 dem Antrag, ein Denkmal der „Freiheit und Einheit Deutschlands“ in der Mitte Berlins zu errichten, mit großer Mehrheit zustimmte. Auch was den Standort anging, konnte sich der Verein in der Folge mit seinem bereits von den Initiatoren präferierten Vorschlag durchsetzen, das Denkmal an der Stelle des früheren Nationaldenkmals an der Schlossfreiheit zu platzieren, dessen Sockel noch vorhanden war. 2008 wurden Engert, de Maizière, Mausbach, Nooke und die Deutsche Gesellschaft für ihre Initiative mit dem Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung ausgezeichnet.
Der von der Bundesregierung 2009 ausgeschriebene Architektenwettbewerb gestaltete sich schwierig. Nach dem Abbruch der ersten Runde lagen im zweiten Verfahren am Ende 28 Vorschläge vor, aus denen die Jury drei auswählte. Nach deren Überarbeitung wurde im April 2011 der Entwurf „Bürger in Bewegung“ des Stuttgarter Planungsbüros Milla und Partner als Sieger bekanntgegeben. Er sah eine begehbare Schale von etwa 50 Meter Länge vor, die sich nach der einen oder anderen Seite neigen kann. Im öffentlichen Sprachgebrauch wurde das Denkmal deshalb fortan als „Wippe“ apostrophiert. Der Entwurf, der in den Feuilletons, aber auch in der Bevölkerung weithin auf Ablehnung traf, löste eine neue Debatte über das Vorhaben aus. Der Bundestag reagierte darauf mit einem vorläufigen Planungsstopp und einer Umwidmung der Haushaltsmittel, die statt in die „Wippe“ jetzt in den Wiederaufbau der Kolonnaden des alten Kaiser-Wilhelm-Denkmals fließen sollten. Nachdem sich dagegen heftiger Widerstand regte, einigten sich die Regierungsvertreter der damaligen Großen Koalition schließlich darauf, zum ursprünglichen Konzept zurückzukehren und den beschlossenen Siegerentwurf zu Ende zu bauen.
Das lange Hin und Her in der Planung und Realisierung unterstreicht, wie schwer sich die Bundesrepublik mit der Geschichtspolitik im Allgemeinen und der Denkmalkultur im Besonderen tut. So wurde am Freiheits- und Einheitsdenkmal ähnlich wie am 2005 eingeweihten Holocaust-Mahnmal kritisiert, dass es einen zentralen Gedenkort gar nicht brauche, weil mit dem Brandenburger Tor ein authentischeres und symbolträchtigeres Denkmal bereits existiere. Auch am Standort an der Schlossfreiheit schieden sich erwartbarerweise die Gemüter. Während die einen darin wie zuvor schon beim – ebenfalls umstrittenen – Wiederaufbau des Stadtschlosses eine unpassende Erhöhung des Kaiserreichs sahen, lobten die anderen gerade die Umwidmung für die positiven Seiten der deutschen Demokratiegeschichte, die der Platz durch das Denkmal erfahre. Am Entwurf selbst stieß vor allem die unklare Symbolik der „Wippe“ auf Vorbehalte, die manchen Kritikern als banal oder kitschig abtaten. Solche Bedenken könnten sich aber erledigen, wenn die Menschen das fertiggestellte Denkmal – genauso wie die Holocaust-Gedenkstätte am Brandenburger Tor – in Zukunft als lebendigen Besuchs- und Erinnnerungsort in Besitz nehmen.
Als Hauptort der Montagsdemonstrationen, die im Rahmen der Friedlichen Revolution maßgeblich zum Sturz des SED-Regimes beitrugen, drängt sich neben Berlin in erster Linie Leipzig als Platz für ein weiteres Einheitsdenkmal auf. Es wäre dort auch eine würdige Ergänzung und zugleich ein Kontrapunkt zum 1913 errichteten monumentalen Völkerschlachtdenkmal, das an die Befreiungskriege erinnert. Ein erster Anlauf für die Umsetzung wurde 2009 unternommen – er endete nach fünf Jahren ohne Ergebnis. 2021 hat der Stadtrat den Weg für ein neues Wettbewerbsverfahren freigemacht, das unter breiter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger erfolgen soll. Als bevorzugter Standort war und ist der Wilhelm-Leuschner-Platz im Gespräch, der an der Ringstraße in der Nähe des Neuen Rathauses liegt, wo die Umzüge 1989 stattfanden.
© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)