Bundesregierung

Die Bundesregierung bildet neben dem Bundespräsidenten den größeren und wichtigen Teil der vollziehenden Gewalt oder Exekutive. Ihr obliegt die Staatsleitung in der inneren und äußeren Politik, deren Ziele sie in einem Regierungsprogramm niederlegt und im Zusammenspiel mit den anderen Staatsgewalten umsetzt. Die Bundesregierung ist ein Kollegialorgan. Im engeren Sinne besteht sie nur aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern, dem sogenannten Kabinett – so legt es Artikel 62 des Grundgesetzes fest. Im weiteren Sinne zählt auch der Regierungsapparat, die sogenannte Ministerialbürokratie dazu. Dort arbeiteten 2023  etwa 35.000 Personen. Das Zwischenglied zwischen den Ministern und dem Apparat bilden die Staatssekretäre. Diese sind entweder Beamte oder gehören als Parlamentarische Staatssekretäre zugleich dem Bundestag an. Sie fungieren als Amtschefs und Schnittstelle zwischen der politischen Leitung und dem Apparat.

Für die Organisation der Bundesregierung sind drei gleichrangige Prinzipien maßgebend: das Kanzler-, das Ressort und das Kabinettsprinzip. Dem Bundeskanzler obliegt als Regierungschef die Regierungsführung. Er verfügt durch die Richtlinienkompetenz, die Organisationsgewalt, das Ernennungs- und Entlassungsrecht der Minister und das ihn unterstützende Bundeskanzleramt über eine herausgehobene Position. Das Ressortprinzip besagt, dass im Rahmen der vom Kanzler vorgegebenen und im Regierungsprogramm festgelegten Richtlinien jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung leitet. Kanzler- und Ressortprinzip stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis, das durch das Kabinetts- oder Kollegialprinzip überbrückt wird. Über Meinungsverschiedenheiten zwischen Ministerien entscheidet danach die Bundesregierung, also das Kabinett. Auch die Gesetzesentwürfe der Bundesregierung müssen vom Kabinett formell verabschiedet werden. Diskussionen finden hier nur selten statt, da Konflikte meistes schon im Vorfeld bereinigt werden. Das Kabinett tagt wöchentlich (in der Regel am Mittwoch) unter der Leitung des Kanzlers – oder bei dessen Abwesenheit – des Vizekanzlers.

Die Praxis der Bundesregierung wird maßgeblich durch die Notwendigkeit der Koalitionsbildung bestimmt. Von einer kurzen Ausnahme abgesehen (1960/61) abgesehen, setzten sich bislang alle Bundesregierungen aus zwei oder mehr Parteien zusammen. Diese handeln ihre Vorhaben nach der Wahl in einem Koalitionsvertrag aus und stimmen sich auch während der Legislaturperiode in Koalitionsrunden oder -gesprächen regelmäßig ab. Die Koalitionsverträge sind nicht rechtlich verbindlich, aber politisch. Setzt sich ein Regierungspartner darüber hinweg, riskiert er womöglich einen Bruch der Koalition. Für die Bildung der Bundesregierung sieht das Grundgesetz keine Frist vor. Bis zur Ernennung des Kanzlers und der Minister bleibt die alte Regierung geschäftsführend im Amt.

Mit Blick auf die Ressortorganisation und -verteilung sind neben der Kontinuität der klassischen Ministerien (Auswärtiges, Finanzen, Inneres und Justiz) zum einen die neu geschaffenen und zum anderen die Reorganisationen bestehender Ressorts hervorzuheben. Unter die erstgenannten fallen das 1955 wieder eingerichtete Verteidigungs- und das 1986 neu eingerichtete Umweltministerium. Bei den zahlreichen Reorganisationen wäre als jüngstes Beispiel die  Übertragung von Zuständigkeiten des Umwelt- auf das Wirtschaftsministerium zu nennen, um die Verantwortung für den Klimaschutz in einem Ressort zu bündeln.

Die Verteilung der Ressorts ist in Koalitionsregierungen immer eine hoch umstrittene Angelegenheit. In der Praxis hat sich dabei ein an der jeweiligen Stärke der Parteien orientiertes Zugriffsverfahren ausgebildet. Üblich ist auch, dass thematisch verwandte Ressorts (Auswärtiges/Verteidigung, Inneres/Justiz, Finanzen/Wirtschaft) zwischen den Koalitionspartnern aufgeteilt werden. Stand in der Prestigeträchtigkeit der Ressorts jahrzehntelang das Auswärtige Amt an erster Stelle, hat ihm das Finanzministerium inzwischen den Rang abgelaufen.

Wie in einem parlamentarischen System üblich, wird auch in der Bundesrepublik die Gesetzgebung von der Regierung dominiert, nicht vom Parlament. Rund vier Fünftel der vom Bundestag beschlossenen Gesetze gehen auf ihre Vorschläge zurück. Unterhalb der Gesetze hat die Regierung die Möglichkeit, Regelungen durch Rechtsverordnungen zu treffen. Noch größer ist ihr Gewicht im Bereich der Außenpolitik. Im Verhältnis zu dem sie kontrollierenden Bundestag kann die Bundesregierung einen geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung reklamieren. Das betrifft vor allem den regierungsinternen Willensbildungsprozess, in den das Parlament keinen unbegrenzten Einblick nehmen darf.

Die Bundesregierungen weisen in der Bundesrepublik ein hohes Maß an Kontinuität auf. Von 1949 bis 2021 hat es 32 Kabinette gegeben. Acht mal kam es zu parteipolitischen Neuzusammensetzungen der Koalition, die in zwei Fällen (Erhard/Kiesinger 1966 und Schmidt/Kohl 1982) mit einem Regierungs- beziehungsweise Kanzlerwechsel einhergingen. Vorgezogene Neuwahlen mussten nur drei Mal angesetzt werden: 1972, 1983 und 2005. Jede dieser Wahlen brachte eine neue stabile Mehrheitsregierung hervor. Minderheitsregierungen blieben im Unterschied zu Großen Koalitionen (von Union und SPD) auf kurze Übergangsphasen beschränkt. Letztere mussten in der jüngeren Vergangenheit gleich drei Mal gebildet werden, weil es für die bis dahin üblichen kleinen Koalitionen nicht mehr zur Mehrheit reichte.

© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)

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