Demokratie
Der Begriff Demokratie bezeichnet eine Herrschaftsform, in der sich das Volk selbst regiert. Wörtlich übersetzt bedeutet das griechische Wort „Volksherrschaft“. Abraham Lincoln hat die Demokratie in ihrer wohl berühmtesten Definition als „Government of the people, by the people and for the people“ charakterisiert, also als „Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk.“ Zeitgenössische Definition stellen vor allem auf die friedliche Abwahlmöglichkeit einer Regierung als zentrales Demokratiemerkmal ab. Das Gegenbild zur Demokratie verkörpert die Despotie – dort entscheiden der Wille und die Willkür eines einzelnen Herrschers. In der Politikwissenschaft verwendet man dafür heute meistens den Begriff „Autokratie“.
Frühformen der Demokratie lassen sich in der griechischen Antike finden. Sie haben mit der heutigen Demokratie nur wenig gemein. So wurden zum Beispiel die Ämter in der athenischen Polis nicht durch Wahlen besetzt, sondern per Los. Auch das Prinzip der Repräsentation war den griechischen Stadtstaaten fremd und hielt erst in der Neuzeit Einzug.
Die modernen Demokratien haben sich aus den Verfassungsstaaten entwickelt, die Ende des 18. Jahrhunderts etwa zeitgleich in den USA und in Frankreich entstanden. In Großbritannien hatte sich das Prinzip der Parlamentsherrschaft mit der „Glorreichen Revolution“ sogar schon ausgangs des 17. Jahrhundert durchgesetzt. Verfassungsstaat und Demokratie bilden bis heute eine enge Symbiose. Sie wie die Verfassung die Demokratie durch die nicht zur Disposition stehenden Grundrechte, die Gewaltenteilung und die Wehrhaftigkeit schützt und begrenzt, so ist die Demokratie mit bestimmten Freiheitsrechten wie der Meinungs- und Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Vereinsfreiheit untrennbar verknüpft.
Historisch betrachtet geht der Verfassungsstaat der Demokratie voraus. Demokratische Gestalt nahm er erst an, als der ihm zugrunde liegende Freiheitsgedanke um die Prinzipien der Gleichheit und Gerechtigkeit erweitert wurde. Dafür mussten zum einen die Zustimmungs- und Beteiligungsrechte, die bis dahin nur einem Teil der Bevölkerung vorbehalten waren, auf das ganze Volk ausgedehnt werden. Den letzten großen Schritt auf diesem Weg stellte das Frauenwahlrecht dar. Dessen Einführung erfolgte in Deutschland 1919 und damit früher als in Großbritannien oder den USA. Zum anderen galt es die Freiheit als Rechtsprinzip auch im gesellschaftlichen Bereich durchzusetzen. Bezogen auf die Frauen oder auf Minderheitengruppen wie die Homosexuellen wurden hier die entscheidenden Durchbrüche erst ab den 1960er-Jahren erzielt.
Der normative Kern des Demokratieprinzips ist die Volkssouveränität, das heißt die Rückführung und Rückführbarkeit der staatlichen Herrschaft auf den Willen des Volkes. Eng damit verbunden sind das Gleichheitsprinzip, das Mehrheitsprinzip und der Minderheitenschutz. Das Gleichheitsprinzipbedeutet, dass alle Staatsangehörigen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte besitzen und ihre Stimmen bei Wahlen und Abstimmungen gleich viel zählen. Die Mehrheitsregelverlangt, dass alle maßgeblichen politischen Entscheidungen von der Mehrheit des Volkes beziehungsweise der Volksvertretung getragen sein müssen. Und der Minderheitenschutzwird dadurch gewährt, dass politische Gruppierungen im Wahlwettbewerb Chancengleichheit genießen und die Opposition im Parlament über wirksame Kontrollrechte verfügt.
Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes bringt den Grundsatz der Volkssouveränität auf eine ebenso treffende wie schöne Formel: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Die Formulierung lässt offen, ob das Volk tatsächlich regiert, also die Staatsgeschäfte führt. In großflächigen Massendemokratien ist das offensichtlich kaum möglich. Hier kann das Volk seine Herrschaftsgewalt nur dadurch ausüben, dass es bestimmte Vertreter ermächtigt, in seinem Namen und Interesse zu regieren. Realisiert wird das zum einen über periodisch stattfindende Wahlen und zum anderen durch die Parteien, deren Stellung als zentrale Repräsentationsorgane die Verfassung eigens betont.
Das Repräsentationsprinzip schließt nicht aus, dass sich das Volk in Teilbereichen an der Ausübung der Regierungsgewalt unmittelbar beteiligt. Das Grundgesetz lässt dies zu, spricht es doch in Artikel 20 Absatz 2 ausdrücklich von Wahlen und Abstimmungen. Verfahren der direkten Demokratie sind in der Bundesrepublik heute in sämtlichen Länder- und Kommunalverfassungen enthalten (Volksabstimmungen). Im nationalen Rahmen hat der Parlamentarische Rat auf ihre Einführung dagegen bewusst verzichtet, sieht man vom Sonderfall der Neugliederung der Länder einmal ab.
Jenseits dieser Grundprinzipien ist der Variantenreichtum unter den Demokratien schier grenzenlos. So lassen sich etwa parlamentarische, präsidentielle und semipräsidentielle Demokratien unterscheiden. Parlamentarische Demokratien sind vor allem in Europa und den früheren britischen Kolonien anzutreffen, präsidentielle Systeme dominieren auf dem amerikanischen Kontinent. Während dort eine strikte Gewaltentrennung zwischen Legislative und Exekutive herrscht, geht im parlamentarischen System die Regierung aus dem Parlament hervor und kann von ihm jederzeit durch ein Misstrauensvotum abberufen werden. Semipräsidentielle Systeme stellen eine Variante des parlamentarischen Systems. Hier tritt neben den Regierungschef (Premierministerin oder -minister) ein mit eigenen Machtbefugnissen ausgestattetes Staatsoberhaupt, das die Regierung korrigieren kann oder selbst anführt. Dieser Typus ist in Afrika und Asien verbreitet, in Europa eher selten. Das bekannteste Beispiel ist Frankreich.
© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)