Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)
Gemessen an ihren Wahlergebnissen und der Dauer ihrer Regierungsbeteiligungen im Bund und in den Ländern ist die CDU die erfolgreichste Partei der Bundesrepublik. Als überkonfessionell ausgerichtete Sammlungspartei des christlich-bürgerlichen Lagers, die konservative, liberale und soziale Traditionen in sich vereint, stellte sie nach 1945 die wichtigste Neuerung des Parteiensystems dar. Konrad Adenauers Politik der Westbindung und der Erfolg der Sozialen Marktwirtschaft sind untrennbar mit der CDU verbunden und sicherten ihr bis 1969 die Regierungsmacht. In der anschließenden Oppositionszeit leitete Helmut Kohl den Wandel der CDU zu einer modernen Programm- und Mitgliederpartei ein und schuf so die Grundlage für die Rückkehr an die Regierung im Jahre 1982. In Kohls 16-jährige Kanzlerschaft fielen die Deutsche Einheit und die Einführung des Euro. Nach der Wahlniederlage wurde Kohl von einer Affäre um illegale Parteispenden eingeholt, von der sich die CDU aber schnell erholte. 2005 gelang ihr mit Angela Merkel die Rückeroberung des Kanzleramtes, das sie auch bei den drei nachfolgenden Bundestagswahlen verteidigte.
Unter Merkels Führung modernisierte sich die CDU in kultureller und gesellschaftspolitischer Hinsicht. Gleichzeitig stellte sie ihre marktliberalen Positionen in der Sozial- und Wirtschaftspolitik zugunsten eines konsequenten Mittekurses zurück. Auch wenn sich dies bei den Wahlen auszahlte, rüttelte es an Kernbestandteilen der christdemokratischen Identität und schwächte die Integrationsfähigkeit der Partei nach rechts. In das so entstehende Vakuum stieß die 2013 gegründete Alternative für Deutschland. Die von Merkel vertretene humanitäre Flüchtlingspolitik, die 2015 und 2016 fast eine Million Zuwanderer ins Land brachte, katapultierte die neue rechtspopulistische Kraft nach oben und sicherte ihr einen festen Platz im Parteiensystem. Seither muss die CDU den politischen Wettbewerb an zwei Fronten führen.
Merkels Rückzug vom Parteivorsitz und ihr angekündigtes Ausscheiden aus dem Regierungsamt stürzten die CDU seit 2018 in eine Führungskrise und mündeten 2021 mit der gescheiterten Kanzlerkandidatur Armin Laschets in den kaum für möglich gehaltenen Machtverlust. Dieser stellte zugleich die Folge einer programmatischen Auszehrung dar, die das Profil der Partei unter den Kompromisszwängen der Großen Koalitionen immer unkenntlicher gemacht hatte. Auch organisatorisch droht die CDU ihren Status als große Volkspartei hinter sich zu lassen. Ihre Mitgliederzahl hat sich 2020 mit knapp 400.000 gegenüber dem Rekordjahr 1990 fast halbiert. Mehr als die Hälfte der Mitglieder sind über 60 Jahre alt und der Frauenanteil liegt seit 1990 nahezu unverändert bei geringen 26,6 Prozent.
Bei der Wahl von Friedrich Merz als Nachfolger Laschets betrat die CDU Neuland, indem sie der formellen Parteitagsentscheidung erstmals eine Mitgliederbefragung vorschaltete. Merz sicherte sich auch den Fraktionsvorsitz, womit beide Führungsämter seit 2022 wieder in einer Hand liegen. Das klare Votum für ihn wurde als Wunsch nach einem stärker konservativen Profil gedeutet. Dies könnte der aus Wählersicht gebotenen Mitteorientierung entgegen und verlangt der Partei in der Rolle der Opposition schwierige Gratwanderungen ab.
© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)