Hymne

Das „Lied der Deutschen“, manchmal auch „Deutschlandlied“ genannt, stammt aus der Revolutionszeit (Vormärz).  Geschrieben wurde es von Heinrich August Hoffmann von Fallersleben am 26. August 1841 auf der damals noch zu England gehörenden Nordseeinsel Helgoland. Hoffmann dichtete den Text auf die Melodie der von Joseph Haydn 1797 komponierten österreichischen Kaiserhymne („Gott erhalte Franz den Kaiser“), die in der Donaumonarchie bis 1918 in verschiedenen Fassungen und Sprachen zur Anwendung kam. Dabei handelte sich um keine offizielle Nationalhymne, sondern um eine „Volkshymne“ – ähnlich wie in Preußen, wo sich seit 1795 das von Heinrich Harries geschriebene „Heil dir im Siegerkranz“ durchgesetzt hatte. Das zur selben Melodie wie die britische Königshymne („God save the King“) gesungene Lied wurde nach der Reichsgründung 1871 als „Kaiserhymne“ übernommen, blieb aber vor allem in den süddeutschen Ländern wenig populär. 

Hoffmann, ein Germanistikprofessor aus Breslau, wandte sich mit seinem aus drei Strophen bestehenden Text gegen die Beanspruchung der linksrheinischen Gebiete durch Frankreich, die 1840 zu einer diplomatischen Krise mit Deutschland beziehungsweise Preußen führte. Dies erklärt den chauvinistischen Ton insbesondere im zweiten Teil der ersten Strophe. („Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt, Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt“). In der Weimarer Republik war der Text deshalb auch für die antidemokratische Seite anschlussfähig. 1922 bestimmte Reichspräsident Friedrich Ebert das Lied der Deutschen zur Nationalhymne. Die Nationalsozialisten behielten die Hymne bei, verwendeten bei offiziellen Anlässen allerdings nur die erste Strophe und ließen ihr stets ihre eigene Parteihymne folgen, das „Horst-Wessel-Lied“.

Bundespräsident Theodor Heuss machte sich zu Beginn der 1950er-Jahre für eine neue Hymne stark – gegen den Wunsch von Kanzler Adenauer, der am Deutschlandlied festhalten wollte und sich damit durchsetzte. Dieses wurde so erneut zur Hymne bestimmt (in allen seinen drei Strophen). Bei offiziellen Anlässen sollte jedoch nur die textlich unverfängliche dritte Strophe gesungen werden, die mit der Zeile „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“ beginnt.

In der DDR war eine neue Hymne schon kurz nach der Staatsgründung Ende 1949 eingeführt worden, komponiert von Hanns Eisler nach demselben Versmaß wie das Deutschlandlied und mit einem von Johannes R. Becher verfassten Text. Die erste Strophe lautete: „Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt, lass uns dir zum Guten dienen, Deutschland, einig Vaterland.“ Weil die Textzeile „Deutschland, einig Vaterland“ den Machthabern nicht mehr genehm war, nachdem die DDR ihren gesamtdeutschen Anspruch Ende der 1960er-Jahre aufgegeben hatte, kam die Hymne seither nur noch in der Instrumentalfassung zur Aufführung.

Nach der Vereinigung gab es von ostdeutscher Seite Vorstöße, Bertolt Brechts 1950 gedichtete „Kinderhymne“ als neue gesamtdeutsche Hymne einzuführen, die dieser als Gegenentwurf zur ersten Strophe des Deutschlandliedes angelegt hatte. („Und nicht über und nicht unter andern Völkern wolln wir sein, von der See bis zu den Alpen, von der Oder bis zum Rhein.“) Dies wäre mit Blick auf das Zusammenwachsen der beiden Staatsteile eine starke Geste gewesen, fand in der alten Bundesrepublik jedoch keinen Widerhall. 1991 legten Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einem erneuten Briefwechsel fest, dass das Lied der Deutschen die alte und neue Hymne sein sollte – diesmal allerdings auch offiziell nur in der dritten Strophe.

Ähnlich wie das Schwenken der Flagge galt es in der Bundesrepublik lange Zeit als unschick, die Nationalhymne mitzusingen – das blieb bei offiziellen Anlässen meistens den Repräsentanten des Staates oder der Parteien vorbehalten. Die reservierte Haltung gegenüber der Hymne spiegelte sich in der verbreiteten Unkenntnis des Textes. Mit der Deutschen Einheit kam es hier zu einer allmählichen Normalisierung, die ihren sichtbarsten Ausdruck vor den Länderspielen der Fußball-Nationalmannschaft fand. Das Mitsingen der Hymne, das bis dahin als Tabu galt, war von Franz Beckenbauer als Teamchef bereits 1984 „angeordnet“ worden. Heute gilt es auch als Bekenntnis zur Integration in der Einwanderungsgesellschaft, da viele Nationalspieler nichtdeutsche Wurzeln haben.

© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)

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