Thomas Mann und die Emigration
Aufruf zum Widerstand
Im Oktober 1940 richtete der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann (1875-1955) seine erste von 58 kurzen Radioansprachen an das deutsche Volk. Er befand sich zu dieser Zeit im amerikanischen Exil und verlas im britischen Sender BBC seine Botschaften an die „Deutschen Hörer!“, um sie mit den nationalsozialistischen Verbrechen zu konfrontieren und zum Widerstand gegen das Regime zu ermutigen. Wie viele Deutsche die Reden hörten und welche Wirkung sie auslösten, lässt sich nicht einschätzen, da das Hören sogenannter „Feindsender“ mit hohen Strafen und die Verbreitung von abgehörten Nachrichten mit der Todesstrafe bedroht waren. Sie stehen jedoch exemplarisch für die vielfältigen Aktivitäten von Emigranten gegen das NS-Regime.
Die Etappen des Exils
Thomas Mann hatte sich in der Weimarer Republik zum „Vernunftrepublikaner“ gewandelt und zählte bereits vor der nationalsozialistischen Machtergreifung zu den prominentesten Gegnern der Nationalsozialisten. Gemeinsam mit seiner Frau Katia verließ er Deutschland im Frühjahr 1933. Die ersten Jahre im Exil verbrachten die Manns vor allem in der Schweiz. 1938 immigrierte Thomas Mann mit seiner Familie in die USA, die er bereits zuvor in einer Vortragstour besucht hatte. Kreuz und quer war er fünf Monate lang durch die Vereinigten Staaten gereist, um sich entschieden gegen den Nationalsozialismus und für die Werte der Demokratie auszusprechen. In seinem Vortrag „Vom kommenden Sieg der Demokratie“, den er in 15 amerikanischen Städten präsentierte, hielt er ein eindrucksvolles Plädoyer für die Freiheit, die von den USA verteidigt werden müsse.
Die USA waren für viele Deutsche das wichtigste Emigrationsland, aber es war nicht der einzige Zufluchtsort für Menschen, die vor Verfolgung flohen und ein Leben in Freiheit im Exil suchten. Schätzungsweise 500.000 Menschen emigrierten in der NS-Zeit aus dem Reich, nicht nur politisch Verfolgte, sondern auch Personen aus Kunst, Publizistik oder Wissenschaft. Zugleich flohen viele Jüdinnen und Juden vor der rassenideologischen Verfolgung im NS-Staat.
Von den politisch Verfolgten kehrten nach dem Kriegsende nur 50 Prozent zurück, von den vertriebenen Jüdinnen und Juden nur vier bis fünf Prozent. Insgesamt gab es nur etwa 30.000 Remigrantinnen und Remigranten.
© Dr. Lars Lüdicke (Deutsche Gesellschaft e. V.)