Errichtung der Führerdiktatur

Präsidialkabinette
Seit 1930 wurde die Weimarer Republik von sogenannten Präsidialkabinetten regiert. Diese Regierungen stützten sich nicht auf parlamentarische Mehrheiten, sondern auf die Notverordnungsvollmachten des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg. Er ernannte den Reichskanzler, der zuallererst ihm verantwortlich war. Die politische Macht verlagerte sich vom Parlament zum Reichspräsidenten. Eine Rückkehr zur parlamentarischen Regierungsweise wollten sowohl Hindenburg als auch ein einflussreicher Personenkreis in seinem politischen und persönlichen Umfeld nicht. Sie strebten eine Umgründung des Staates unter autoritären Vorzeichen an.

Die Rolle der NSDAP
Eine Schüsselrolle fiel der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) zu, die zum wichtigen innenpolitischen Faktor geworden war. Bei den Reichstagswahlen vom Juli 1932 hatte die NSDAP mehr als ein Drittel der Stimmen gewonnen. Sie stellte – trotz Stimmenverlusten – auch nach der Reichstagswahl vom November 1932 die mit Abstand größte Fraktion im Parlament (Reichstag). Adolf Hitler, der „Führer“ der NSDAP, wurde am 30. Januar 1933 vom Reichspräsidenten zum Reichskanzler einer Koalitionsregierung aus NSDAP und deutschnationalen Kräften (vor allem DNVP, Stahlhelm-Verband) ernannt.

Reichstagsbrand © BArch, Bild 183-R99859 / o. Ang.
Reichstagsbrand © BArch, Bild 183-R99859 / o. Ang.

Unter- und Fehleinschätzung von Hitler und NSDAP
Hindenburg und sein Umfeld glaubten, die NSDAP für ihre antidemokratisch-autoritären Pläne engagieren zu können. Sie stimmten Hitlers zentraler Forderung nach Neuwahlen zu, um mit der zu erwartenden Parlamentsmehrheit ein Ermächtigungsgesetz verabschieden zu können. Den Brand des Reichstagsgebäudes in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar 1933 nutzten die Nationalsozialisten für die Grundlegung der Diktatur. Als Fanal eines kommunistischen Aufstandsversuches ausgelegt, begannen noch in der Nacht die Vorbereitungen für die Beendigung des Rechtstaates in Deutschland. Auf Grundlage der von Hindenburg unterzeichneten „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ („Reichstagsbrandverordnung“) wurden wesentliche Grundrechte, die in der „Weimarer Verfassung“ verankert waren, außer Kraft gesetzt, darunter die Meinungs-, Presse-, Vereins- und Versammlungsfreiheit.

KZ Oranienburg, SA-Wachposten © BArch, Bild 146-1982-014-35A / o. Ang.
KZ Oranienburg, SA-Wachposten © BArch, Bild 146-1982-014-35A / o. Ang.
NS-Boykott gegen jüdische Geschäfte © BArch, Bild 102-14469 / Georg Pahl
NS-Boykott gegen jüdische Geschäfte © BArch, Bild 102-14469 / Georg Pahl
KZ Oranienburg, SA-Männer vor SPD-Häftlingen © BArch, Bild 183-R88978 / o. Ang.
KZ Oranienburg, SA-Männer vor SPD-Häftlingen © BArch, Bild 183-R88978 / o. Ang.

Der politische Terror
Die Verordnung lieferte zudem die juristische Grundlage für eine regelrechte Verhaftungswelle nach vorbereiteten Listen. Einerseits beteiligten sich staatliche Behörden (Polizei, Justiz, Verwaltung) an den Aktionen, anderseits Parteiverbände der NSDAP (SA). Bestehende Justiz- und Polizeigefängnisse wurden ebenso genutzt wie sogenannte „wilde“ Konzentrationslager, die etwa in Kellern, Fabrikhallen oder Ferienheimen im gesamten Reichsgebiet entstanden. Insbesondere die willkürliche Gewalt lokaler SA-Gruppen führte zu Spannungen oder Konflikten zwischen Staats- und Parteibehörden, zugleich wirkten beide Seiten bei der geplanten Ausschaltung politischer Gegner zusammen. Die Wechselwirkung zwischen staatlicher und nationalsozialistischer Gewalt zeigte sich auch in den Akteuren selbst: Längst gab es viele Staatsbedienstete, die den Nationalsozialisten angehörten.

Insgesamt kamen mehr als 80.000 Menschen in „Schutzhaft“, überwiegend Kommunistinnen und Kommunisten, Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten oder Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, unter ihnen Landtags- und Reichstagsabgeordnete und Parteifunktionäre. Viele wurden gefoltert, mehrere Hundert verloren ihr Leben. Die Gewalt richtete sich auch gegen Menschen, die aufgrund ihrer Einstellung, Veranlagung oder Herkunft verschleppt und inhaftiert wurden.

Es waren Journalisten, Rechtsanwälte und Künstler darunter, ebenso „Zeugen Jehovas“, Homosexuelle sowie Menschen, bei denen Verbrechensveranlagung, „Arbeitsscheue“ oder allgemein „asoziales Verhalten“ als Begründung für die Verhängung von „Schutzhaft“ dienten.

Der Wahlkampf zur Reichstagswahl vom 5. März 1933 stand im Zeichen des Terrors, mit dem die Aktivitäten der politischen Gegner unterdrückt, Personen verfolgt und in den Untergrund getrieben, Demonstrationen verboten oder Veröffentlichungen unterbunden wurden. Zugleich zeigte die Propaganda ihre Wirkung, die auf Massenmobilisierung ausgerichtet war. In der Reichstagswahl – die unter den Bedingungen der entstehenden Diktatur stattfand – verfehlte die NSDAP die absolute Mehrheit, sie steigerte aber ihren Anteil und erhielt 43,9 Prozent der Stimmen. Nur zusammen mit den Deutschnationalen verfügte sie weiterhin über eine Mehrheit im Reichstag. Zur Eröffnung des neugewählten Reichstages fand am 21. März 1933 ein Staatsakt in der Potsdamer Garnisonkirche statt, der als „Tag von Potsdam“ bekannt geworden ist. Die Nationalsozialisten nutzten das Zeremoniell für ihre Propaganda, in der die Verbindung von „alter Größe“, die Hindenburg repräsentierte, und „neuer Kraft“, für die Hitler stand, beschworen wurde.

Tag von Potsdam
© BArch, Bild 183-S38324 / o. Ang.
Tag von Potsdam © BArch, Bild 183-S38324 / o. Ang.
Tag von Potsdam
© BArch, Bild 102-14435 / Georg Pahl
Tag von Potsdam © BArch, Bild 102-14435 / Georg Pahl

Das „Ermächtigungsgesetz“ und die Gleichschaltung
Am 23. März beschloss der neugewählte Reichstag das „Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich“, das sogenannte Ermächtigungsgesetz. Es ermächtigte die Regierung, eigenmächtig Gesetze zu erlassen. Das Parlament übertrug also seine Rechte der Regierung. Sie konnte künftig sogar verfassungsändernde Gesetze verabschieden, sofern sie nicht die Stellung des Parlaments, der Ländervertretung oder des Reichspräsidenten betrafen. Auf das Notverordnungsrecht des Reichspräsidenten war der Kanzler –  wie von Hindenburg angestrebt – nicht länger angewiesen. Durch das „Ermächtigungsgesetz“ wurde die verfassungsmäßige Gewaltenteilung zwischen Legislative und Exekutive – ein Kernprinzip demokratischer Herrschaft – aufgehoben. Der Reichstag hatte seine eigene Entmachtung beschlossen. Das „Ermächtigungsgesetz“ galt zunächst für die Dauer von vier Jahren und wurde zuletzt 1943, dann für unbegrenzte Zeit, verlängert. Die Verfassung der Weimarer Republik bestand formal bis 1945 fort; sie war aber materiell suspendiert.

Das „Ermächtigungsgesetz“ erleichterte die Errichtung der Diktatur, zumal der Schein von Legalität und Legitimität die Loyalität vieler Menschen sicherte. Bereitwillig vollzogen zahlreiche Deutsche die sogenannte Gleichschaltung mit: Sie blieben in den Behörden, Betrieben oder Universitäten in ihren Ämtern oder auf ihren Arbeitsstellen. Manche begrüßten die Beseitigung der Demokratie, manche handelten aus purem Opportunismus. Als sich mit der Reichstagswahl vom März 1933 der Aufbau der Diktatur abzeichnete, stellten Hunderttausende Deutsche einen Antrag zur Aufnahme in die NSDAP. Die Motive waren verschieden; sie reichten von ideologischen Überzeugungen bis kalkulierten Karrierevorteilen.

Parallel zur (Selbst-)Gleichschaltung der Gesellschaft vollzog sich die Gleichschaltung des Staates. Politisch unzuverlässige Beamte wurden entlassen, die Gewerkschaften aufgelöst oder in die Selbstauflösung gedrängt, ebenso die Parteien mit Ausnahme der NSDAP. Mitte 1933 war der Einparteienstaat auch rechtlich festgeschrieben. Am 30. Januar 1934 vollendete das „Gesetz über den Neuaufbau des Reichs“ die Gleichschaltung der Länder, die zuvor bereits ihre relative Souveränität verloren hatten. Es löste die Länderparlamente auf und übertrug ihre Hoheitsrechte auf das Reich. Kurz darauf wurde der Reichsrat aufgehoben. Die Propaganda verklärte den historischen Einschnitt als Ende einer Zeit, in der Deutschland ein schwacher Bundesstaat gewesen sei, und als Beginn einer Epoche mit einem starken Einheitsstaat. Durch diesen Bruch mit der historischen Tradition des Föderalismus in Deutschland gab es erstmals deutsche Staatsbürger; vorher hatten die Länder (Preußen, Bayern, Sachsen usw.) ihre eigenen Staatsangehörigkeiten verliehen.

© Dr. Lars Lüdicke (Deutsche Gesellschaft e. V.)

Tag von Potsdam, Garnisonkirche
© BArch, Bild 102-16093 / Georg Pahl
Tag von Potsdam, Garnisonkirche © BArch, Bild 102-16093 / Georg Pahl
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