Kommunen

Die örtliche Ebene gilt als Keimzelle des bürgerschaftlichen Engagements und „Schule der Demokratie“. Die Menschen sind mit der Politik hier unmittelbarer und lebensnäher konfrontiert als auf der Landes- und Bundesebene und gestalten sie selbst mit. Die etwa 600.000 Personen, die als gewählte Vertretung in den Räten und Kreistagen sitzen, als Sachkundige an Integrations-, Senioren- und sonstigen Beiräten mitwirken oder in kleineren Gemeinden das Bürgermeisteramt ausüben, tun dies ehrenamtlich. Die parallel zur Parteiarbeit ausgeübte kommunale Mandatstätigkeit stellt in der Bundesrepublik den typischen Einstieg in eine Berufspolitikkarriere dar.

Institutionell weisen die Gemeinden ein Doppelgesicht auf. Einerseits sind sie ein den Ländern staatsrechtlich zugeordneter Teil der Verwaltung, andererseits stellen sie selbstständige politische Einheiten dar, die sich nach demokratischen Prinzipien organisieren und ihre örtlichen Angelegenheiten in eigener Verantwortung regeln. Gemessen an der Aufgabenstruktur überwiegt der Verwaltungsteil. Zum „übertragenen Wirkungskreis“ gehören die Pflichtaufgaben nach Weisung, die den Gemeinden auch die Art der Durchführung vorgeben (z. B. Bau- und Gewerbeaufsicht), und die Auftragsangelegenheiten, bei denen sie ausschließlich als ausführende Verwaltungsbehörde agieren (z. B. Einwohnermeldeamt). Unter den „eigenen Wirkungskreis“ fallen wiederum die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben, bei denen die Gemeinden selbst entscheiden, ob und wieweit sie diese erfüllen (z. B. Schwimmbäder oder Theater), und die Pflichtaufgaben ohne Weisung; hier steht ihnen frei, wie sie die Aufgaben erfüllen (z. B. Abfallentsorgung oder Schulen).

Die institutionellen Strukturen der Gemeinden sind in den Kommunalverfassungen der Länder festgeschrieben – das Grundgesetz beschränkt sich hier auf die Vorgabe einer gewählten Volksvertretung. Sie haben sich seit den 1990er Jahren deutlich verändert. Konnte man bis dahin vier Typen von Kommunalverfassungen unterscheiden – die Norddeutsche Ratsverfassung, die Süddeutsche Ratsverfassung, die Bürgermeisterverfassung und die Magistratsverfassung –, so konstituieren seit der Übernahme der vorher nur in Bayern und Baden-Württemberg möglichen Direktwahl der Bürgermeister und Landräte durch die anderen Länder heute alle Kommunalverfassungen „quasi-präsidentielle“ Regierungssysteme. Lediglich Hessen nimmt eine gewisse Sonderstellung ein, weil der Verwaltungsapparat hier nicht unter der alleinigen Leitung der Bürgermeister steht, sondern einem zweiten Kollegialorgan, dem Magistrat oder – in kleineren Kommunen – Gemeindevorstand unterstellt ist.

Eine Folge der Reform war der von den Verfassungsgerichten erzwungene Wegfall der Fünfprozenthürde (Wahlrecht / Wahlsystem), der die Bildung arbeitsfähiger → Koalitionen in den nicht selten aus zehn oder mehr Parteien zusammengesetzten Räten erschwert. Eine weitere Restriktion rührt aus den zeitgleich eingeführten Bürgerbegehren und -entscheiden (Volksabstimmungen). Blickt man auf die materielle Seite des Regierens, haben die Kommunen mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie die Länder. Einerseits liegen ihre Ausgaben bei den Pflichtaufgaben weitgehend fest. Sie könnten sogar anwachsen, wenn der Staat ihnen weitere Aufgaben überträgt. Auf der anderen Seite sind ihre Einnahmen in hohem Maße von strukturellen Faktoren und der Konjunkturentwicklung abhängig – insbesondere das Gewerbesteueraufkommen unterliegt starken Schwankungen. Beides hat die Finanznot vieler Städte und Gemeinden in den 2000er Jahren verschärft. Das Gefälle zwischen den wirtschaftsstrukturell begünstigten finanzstarken und den benachteiligten finanzschwachen Kommunen würde selbst bei einer Übernahme der Altschulden durch den Bund nicht beseitigt werden.

Während in den meisten Ländern mit den Kreisen beziehungsweise kreisfreien Städten und Gemeinden oder Bezirksvertretungen unterhalb der Landesebene heute nur noch zwei Verwaltungseinheiten existieren, sind in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Hessen die Regierungsbezirke und -präsidien als weitere, mittlere Verwaltungsebene zwischengeschaltet. Zwei oder mehrere Gemeinden können sich zu Gemeindeverbändenzusammenschließen, um Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge überörtlich wahrzunehmen. Von diesen zu unterscheiden sind die kommunalen Spitzenverbändeder Städtetag für die kreisfreien Städte, der Städte- und Gemeindebund für die kreisangehörigen und der Landkreistag –, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisiert sind.Über sie vertreten Gemeinden, Städte und Kreise ihre Interessen gegenüber der Landes- und Bundesebene. Denn anders als die Länder verfügen die Kommunen im Verhältnis zum Bund über keine Mitwirkungsbefugnisse an der sie betreffenden Gesetzgebung. Auch auf der Landesebene gestehen ihnen lediglich sechs Bundesländer – Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Sachsen und Thüringen – ein förmliches Beteiligungsrecht zu.

© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)

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