Bundesversammlung
Die Bundesversammlung ist ein Verfassungsorgan, aber kein eigenständiges Bundesorgan. Mit der Wahl des Bundespräsidenten kommt ihr nur eine einzige Aufgabe zu. Zusammengesetzt ist sie aus den Bundestagsabgeordneten und einer gleich großen Zahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Letztere müssen nicht selbst Landtagsabgeordnete sein. Um den Wahlvorgang zu popularisieren, hat sich in der jüngeren Vergangenheit die Praxis eingebürgert, Prominente aus Sport oder Showgeschäft als Delegierte zu nominieren. Bei der Stimmabgabe erweisen sich diese manchmal als unsichere Kantonisten.
Die Bundesversammlung tritt regulär alle fünf Jahre zusammen, es sei denn, eine Verkürzung der Amtszeit gebietet eine frühere Neuwahl. Dies ist bislang drei Mal vorgekommen. Die Wahl erfolgt in geheimer Abstimmung ohne vorherige Aussprache. Es soll also keine Wahlkämpfe geben, was eine öffentliche Auseinandersetzung über die Kandidaten im Vorfeld aber nicht ausschließt. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Staatsoberhaupt auf eine mögliche Wiederwahl für eine zweite Amtsperiode verzichtet.
Bei einer Wiederwahl sieht die größte Oppositionspartei in der Regel davon ab, einen eigenen Kandidaten aufzustellen – nur 2009, als Gesine Schwan (SPD) zum zweiten Mal gegen Horst Köhler (CDU) antrat, war das nicht der Fall. Drei Präsidenten – Richard von Weizsäcker (CDU), Joachim Gauck (parteilos) und Frank-Walter Steinmeier (SPD) – wurden sogar schon bei ihrer Erstwahl von einer überparteilichen Koalition unterstützt. Auch kleinere Parteien nutzen die Gelegenheit der Bundesversammlung gerne, um sich vor der Öffentlichkeit mit eigenen Kandidaten zu profilieren.
Für die Wahl ist die Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung erforderlich, erst im dritten Wahlgang genügt die einfache Mehrheit. Bei drei Bundesversammlungen wurde das Rennen erst im dritten Wahlgang entschieden. Dramatisch verlief die Abstimmung 1969, als der SPD-Kandidat Gustav Heinemann mit hauchdünner Mehrheit gewann. Seine Wahl mit den Stimmen der FDP wurde als Vorbote der ein halbes Jahr später gebildeten sozialliberalen Bundesregierung gedeutet. 1994 kam es in der Entscheidung zwischen Roman Herzog (CDU) und Johannes Rau (SPD) erneut auf die FDP an, deren Vertreter sich am Ende mehrheitlich auf Herzogs Seite schlugen. Und 2010 benötigte der CDU-Kandidat Christian Wulff ebenfalls drei Wahlgänge, um sich gegen Joachim Gauck durchzusetzen – der ihm dann selbst als Präsident zwei Jahre später nachfolgte.
© Prof. Dr. Frank Decker (Universität Bonn)