Opposition und Flucht in der DDR

Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik © IMAGO / sepp spiegl
Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der Deutschen Demokratischen Republik © IMAGO / sepp spiegl

Gründe für Opposition und Flucht
Seit der Gründung der DDR gab es einzelne Personen und kleinere Gruppen, die opponierten und protestierten. Sie gehörten nicht zu einem spezifischen Milieu, sondern kamen aus allen gesellschaftlichen Bereichen. Auch die Gründe für Opposition und Widerstand waren unterschiedlich. Einige widersetzten sich dem Umbau der Gesellschaft nach sowjetischem Vorbild, andere der Kollektivierung der Landwirtschaft. Manche lehnten die Einschränkungen und Unterdrückung aus allgemeinen Überzeugungen ab, manche lehnten sich aus persönlichen Gründen gegen Verfolgung, etwa der christlichen Kirchen, auf. Es gab viele junge Menschen, die Widerstand leisteten, und es gab Auflehnung von politischen Akteuren, sogar aus der Staatspartei.

Reaktionen und Gegenmaßnahmen des Regimes
Das Regime setzt die Staatssicherheit und die Justiz ein, um jede oppositionelle Bewerbung zu unterdrücken. Allein zwischen der Staatsgründung 1949 und dem Mauerbau 1961 wurden etwa 180.000 bis 200.000 Menschen als politische Gefangene in Haftanstalten weggesperrt. Im gleichen Zeitraum flüchteten rund 3 Millionen Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik (nicht nur aus politischen, sondern auch aus wirtschaftlichen oder familiären Gründen). Der Bau der Berliner Mauer und die Abriegelung Grenze zwischen beiden deutschen Staaten am 13. August 1961 stoppte den Flüchtlingsstrom, mit dem viele junge Menschen und viele Fachkräfte abgewandert waren.

Nach dem Mauerbau schwand die Hoffnung vieler Menschen auf ein schnelles Ende des Regimes. Das Gros arrangierte sich mit den Verhältnissen, zog sich in private Nischen zurück und versuchte, das Beste aus der Lage zu machen. Viele Menschen riskierten allerdings ihr Leben, um die militärisch gesicherte Grenze zu überwinden; fast 500 starben an den innerdeutschen Grenzen bei ihren Fluchtversuchen in die Freiheit.

Wer einen Ausreiseantrag stellte, um die DDR ohne Gefahr für Leib und Leben verlassen zu können, musste mit monate-, oft auch jahrelangen Repressalien rechnen. Die staatlichen Behörden, die Ausreisewillige abschrecken wollten, sorgten etwa für den Verlust des Arbeitsplatzes oder konstruierten Vorwürfe, die zu Verurteilungen und Freiheitsstrafen führten. Trotz Diskriminierung, Kriminalisierung und Repressionen stieg die Zahl der Ausreisewilligen Antragssteller in den 1980er Jahren deutlich an, weil die politischen Bedingungen, der Lebensstand, die Wirtschaftslage, Wohnsituation, die Arbeitsbedingungen und/oder die Unfreiheit unerträglich wurden. 1980 stellten 21.500 einen Ausreiseantrag, 1985: 53.000, 1987: 105.000.

Die "Ausreise" als Einnahmequelle
Das Regime nutzte Ausreisen, die es in begrenztem Maße zuließ, als Möglichkeit, sich von unzufriedenen oder oppositionellen Personen zu trennen – und dafür „Gebühren“ von der Bundesrepublik zu kassieren. Hinzu kam der Freikauf politischer Häftlinge aus der DDR durch die Bundesrepublik. Fast 35.000 Menschen kamen auf diesem Weg in die Freiheit. Der DDR flossen so fast 3,5 Milliarden D-Mark an Devisen zu.

Mit der Ausreise war in der Regel der Entzug der Staatsbürgerschaft verbunden. Auch manche politischen Gefangenen wurden in der Haft genötigt, einen Antrag auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft zu stellen. Dem populären Liedermacher Wolf Biermann verweigerten das Regime Wiedereinreise in die DDR nach einer Konzerttour durch die Bundesrepublik; die Entscheidung über seine Ausbürgerung verkündeten sogar die staatlich gesteuerten Medien der DDR.

Trotz aller Gefahren entstanden immer wieder neue oppositionelle Friedenskreise, Umweltgruppen und Bürgerinitiativen in der DDR. Unzufriedene und Oppositionelle trafen sich beispielsweise in Privatwohnungen oder im Schutz von Kirche. Die Hauptthemen waren, insbesondere ab Ende der 1970er-Jahre, die Bedrohung des Friedens im Kalten Krieg, die Umweltverschmutzung und die Einschränkung politischer Freiheit in der DDR. Die Staatsmacht nutzte die ihr zur Verfügung stehenden Repressionsmaßnahmen, um die Opposition zu unterdrücken (Überwachung und Bespitzelung, Infiltration, Einschüchterung, Inhaftierungen usw.). Es gelang ihr jedoch nicht, das Aufkommen oppositioneller Aktivitäten vollends zu verhindern.

Vorbedingung für die Friedliche Revolution
Die Unzufriedenheit unter den Menschen wuchs, als sich das DDR-Regime sogar gegen die in der Sowjetunion angestoßene Reformpolitik sperrte. Dort war mit der von Michail Gorbatschow eingeleiteten Politik von „Glasnost“ (Offenheit) und „Perestroika“ (Veränderung) ein neuer Politikstil eingezogen, mit dem sich auch unter den DDR-Bürgern viele Hoffnungen auf Umgestaltung in ihrem Land verbanden. Auch die Erfolge der Solidarność-Bewegung in Polen verliehen der Opposition in der DDR wichtige Impulse. Das Regime in der DDR versperrte sich jedoch gegen jeden Reformansatz und unterstützte damit das eigene Ende. Immer mehr Menschen organisierten sich in oppositionellen Gruppen, die für demokratische Reformen in der DDR vor einer Konfrontation mit dem Regime nicht zurückschreckten. Diese erstarkende Opposition war die Vorbedingung für die Friedliche Revolution, die am 9. November 1989 in den Fall der Berliner Mauer und im weiteren Verlauf in den Untergang der DDR mündete.

© Dr. Lars Lüdicke (Deutsche Gesellschaft e. V.)

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