1918
Oktoberreformen
Von konstitutioneller zu parlamentarischer Monarchie
Die Verfassungsrevision vom 28. Oktober 1918 markierte den Übergang von einer konstitutionellen zu einer parlamentarischen Monarchie. Ihr Regierungssystem glich fortan dem der westlichen Königreiche Belgien, Großbritannien oder den Niederlanden oder dem der skandinavischen Königreiche. Seit den „Oktoberreformen“ war der Reichskanzler vom Vertrauen des Parlaments – des Reichstags – abhängig. Das in dieser Demokratisierung des Regierungssystems etablierte Prinzip, die parlamentarische Verantwortung der Regierung, zeichnet auch die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik aus.
Die Reformursachen
Kaiser Wilhelm II. hatte nur aufgrund der Kriegslage in die Verfassungsänderung eingewilligt, die seine eigene Macht einschränkte. Durch den Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente waren die Kräfteverhältnisse dramatisch zuungunsten der Mittelmächte verschoben worden. Zugleich hatte sich die Stimmung unter der Zivilbevölkerung in der Heimat rapide verschlechtert, da militärische Erfolge ausblieben und der Krieg immer länger dauerte. Viele Menschen waren nicht mehr bereit gewesen, Hunger, Entbehrungen und Repressionen, z. B. Einschränkungen der Pressefreiheit oder die Heranziehung zum Arbeitsdienst unter oft unwürdigen Arbeitsbedingungen, zu erdulden. Bereits Ende Januar 1918 hatten Massenstreiks die deutsche Rüstungsproduktion massiv beeinträchtigt. Mehr als eine Million Arbeiter waren in den Streik getreten, um für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, ein Ende des Krieges und eine Demokratisierung der Verfassung des Kaiserreiches zu demonstrieren. Wohin Unzufriedenheit, Streiks und Revolten führen konnten, hatte 1917 die Februarrevolution in Russland gezeigt, die in das Ende der Zarenherrschaft gemündet war.
Die Umsetzung
Unter dem Eindruck dieser Entwicklungen sahen sich Wilhelm II. und die Oberste Heeresleitung zu Zugeständnissen an die Zivilbevölkerung veranlasst. Eine Folge war die Ernennung Max von Badens zum Reichskanzler am 3. Oktober 1918. Mehrere Mitglieder seines Kabinetts gehörten Parteien an, die für eine Parlamentarisierung eintraten (Mehrheitssozial- demokratische Partei; Zentrumspartei; Fortschrittliche Volkspartei). Im Reichstag bildeten diese Parteien bislang eine oppositionelle Mehrheit („Mehrheitsparteien“). Nunmehr erhielt das Kaiserreich die erste parlamentarische Regierung seiner Geschichte. Mit den „Oktoberreformen“ wurde der Wandel von der obrigkeitsstaatlichen in eine parlamentarisch-demokratische Monarchie auch in der Verfassung verankert.
© Dr. Lars Lüdicke (Deutsche Gesellschaft e. V.)