1. Januar 1834

Die frühindustrielle Phase

Der Deutsche Zollverein
Am 1. Januar 1834 trat ein Vertrag in Kraft, mit dem der Deutsche Zollverein begründet wurde. Es war ein Zusammenschluss von deutschen Staaten außerhalb des Deutschen Bundes, d. h. ein Bündnis, das auf die Schaffung eines einheitlichen Großwirtschaftsraums abzielte. Im Laufe der Zeit umfasste er fast alle Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes. Das Gebiet des Zollvereins stellte 1870 nach Großbritannien und den Vereinigten Staaten die drittgrößte Industriemacht der Welt dar.
Die durch den Zollverein hervorgebrachten Vorteile beschleunigten die industrielle Entwicklung rasant. Durch den Wegfall der Zollschranken konnten Waren fortan uneingeschränkt zwischen den Staaten transportiert werden. Maße, Gewichte und Währungen wurden vereinheitlicht. Auf längerer Sicht förderte der Zollverein das Wachstum wie auch das Zusammenwachsen der Wirtschaft, die wiederum eine Grundlage für die politische Einigung Deutschlands im Jahr 1871 bildeten.

Zollvereine in Deutschland 1828 © IEG / A. Kunz 2001
Zollvereine in Deutschland 1828 © IEG / A. Kunz 2001

Eisenbahnbau und Industrialisierung
Wichtige Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung kamen aus dem Aufbau des Eisenbahnnetzes. Am 7. Dezember 1835 wurde mit der sechs Kilometer langen Strecke von Nürnberg nach Fürth die erste deutsche Eisenbahnverbindung eröffnet. Innerhalb weniger Jahre entstanden überall im Gebiet des Zollvereins neue Streckenverbindungen: Bereits 1840 umfasste das Schienennetz rund 500 Kilometer; bis 1850 verzehnfachte sich die Streckenlänge. Zur Zeit der Reichsgründung im Jahr 1871 waren mehr als 20.000 Kilometer erreicht. Im Zuge des rasch voranschreitenden Streckenausbaus wurde die Eisenbahn zum wichtigsten Fernverkehrsmittel und zu einem der größten Wirtschaftsunternehmen.
Die neue Technologie revolutionierte jedoch nicht nur das Transport- und Verkehrswesen, sondern trieb auch die Industrialisierung im Deutschen Bund voran. Während in England die industrielle Revolution, die bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingesetzt hatte, immer neue Produktionsrekorde hervorbrachte, blieb Kontinentaleuropa noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts weitgehend agrarisch strukturiert, d. h. die meisten Menschen arbeiteten in und lebten von der Landwirtschaft. Doch mit der Gründung des Deutschen Zollvereins, der Zollschranken beseitigte, und dem Ausbau der Eisenbahn begann ein Aufschwung, der eine Eigendynamik entwickelte und der die in Einzelstaaten zersplitterte Wirtschaft zunehmend integrierte.
Der Wirtschaftsaufschwung erfasste jedoch nicht alle Gegenden gleichermaßen. So entwickelte sich etwa das Ruhrgebiet mit seiner Steinkohleförderung und Stahlproduktion zum größten Industrierevier Europas. Auch in Sachsen, Schlesien und Saargebiet entstanden wichtige industrielle Zentren. Andere Regionen lebten hingegen bis spät ins 19. Jahrhundert hinein fast ausschließlich von der Landwirtschaft, etwa Ostpreußen.

Borsig´s Maschinenbau-Anstalt zu Berlin 
© Stadtmuseum Berlin; Reproduktion: Oliver Ziebe, Berlin
Borsig´s Maschinenbau-Anstalt zu Berlin © Stadtmuseum Berlin; Reproduktion: Oliver Ziebe, Berlin

Urbanisierung und Massenarmut
Mit der Industrialisierung ging ein rasantes Bevölkerungswachstum einher, nicht zuletzt, weil die Medizin große Fortschritte machte. So wuchs die Bevölkerung (auf dem Gebiet des 1871 gegründeten Kaiserreiches) von knapp 25 Millionen (1816) auf 34 Millionen (1843), 38 Millionen (1861) und 41 Millionen (1871) an. Zugleich bewirkte die Herausbildung von urbanen Industrie- und Handelszentren eine Landflucht der Menschen in die Städte, deren Bevölkerungszahl explosionsartig zunahm. Zwischen 1849 und 1871 verdoppelte sich beispielsweise die Bevölkerung Berlins auf über 825.000 Einwohner, und schon 1864 war mehr als die Hälfte der Bevölkerung Berlins nicht in der Stadt geboren, sondern zugewandert.
Folge dieser Zuwanderung in die Städte (Urbanisierung) waren die Überbeanspruchung des knappen Wohnraums, die zur Entstehung von katastrophalen hygienischen und sozialen Missständen sowie die Verbreitung von Seuchen und Krankheiten beitrug. Für die neue, rasch anwachsende Bevölkerungsschicht, das Proletariat (d. h. abhängig beschäftigten Arbeiter), waren die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Industriebetrieben häufig menschenunwürdig.
Zudem wurde das enorme Bevölkerungswachstum nicht durch den Produktivitätsanstieg aufgefangen. Technische Neuerungen und die Einführung einer arbeitsteiligen Groß- und Massenfertigung in Fabriken machten vielfach die Arbeit von Menschen überflüssig. Deshalb existierte in den Städten ein Überangebot an lohnabhängigen Arbeitern, die ihre Dienste zu Billiglöhnen anboten. Das Problem der hohen Arbeitslosigkeit wurde zudem durch die Tatsache verstärkt, dass viele Arbeiterfamilie auf Frauen- und Kinderarbeit angewiesen waren. Hinzu kamen wiederkehrende Missernten, die den Preis für Grundnahrungsmittel in die Höhe trieben und das Phänomen der Massenarmut (Pauperismus) zusätzlich verschärften. Da es keine staatliche Arbeits- und Sozialversicherung gab, waren Hunger, Krankheiten und Obdachlosigkeit in den Städten weit verbreitet.
Die Massenarmut brachte unterschiedliche Auswirkungen hervor. Viele Arme flüchteten sich in „Notkriminalität" und Alkoholismus. Auch die Zahl der Bettler und sogenannten Landstreicher stieg rasant an. Anfang Juni 1844 entbrannte in Schlesien ein blutig niedergeschlagener Aufstand, in dem sich die Weber gegen ihre schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen erhoben. Zum charakteristischen Massenphänomen entwickelte sich die Auswanderung, die viele Menschen als einziger Ausweg erschien. In den 1840er Jahren, dem Höhepunkt der Pauperismuskrise, verließ fast eine halbe Million Menschen ihre Heimat, zumeist in Richtung USA.

© Dr. Lars Lüdicke (Deutsche Gesellschaft e. V.)

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