26. September 1815
Der politische Liberalismus im Zeichen der Restauration
Bill of Rights
Die Freiheitsgeschichte der Moderne begann mit Durchbrüchen, die außerhalb des deutschen Sprachraumes erzielt worden sind. In der Bill of Rights in England (1689), der Bill of Rights von Virginia (1776), der Verfassung der USA (1787) und schließlich in der Erklärung der Menschenrechte während der Französischen Revolution (1789) wurden zentrale Prinzipien in der Verfassungsentwicklung verankert, die zu den Kernforderungen des politischen Liberalismus gehörten.
Der Liberalismus als Idee
Der politische Liberalismus war und ist eine Hauptströmung der Moderne. In seinem Zentrum steht die Idee größtmöglicher Freiheit des Individuums vom Staat (zum Beispiel Glaubensfreiheit, Rede- und Meinungsfreiheit) sowie die Beschränkung politischer Herrschaft. Staatliche Gewalt soll die Freiheiten des Individuums garantieren – und zugleich soll staatliche Gewalt durch die Freiheit des Individuums begrenzt werden. Der Liberalismus geht auf Ideen zurück, die zuerst von englischen und französischen Vordenkern einer aufgeklärten Staatstheorie entwickelt worden sind; ihren Kern bildet die Grundüberzeugung, dass staatliches Handeln und staatliche Macht in einer Verfassung begrenzt und von den Institutionen eines Rechtsstaats gewährleistet werden muss, um die Grundrechte des Individuums zu sichern. Das für moderne Staatsverfassungen und Regierungsformen zentrale Prinzip der Gewaltenteilung hat im Liberalismus seinen Ursprung.
Die Restaurationsströmungen
Liberale Ideen verbreiteten sich nach der Französischen Revolution in vielen Gegenden Europas. Da sie auf eine Revolutionierung der überlieferten Ordnung hinausliefen, schlossen sich die Monarchen Russlands, Österreichs und Preußens nach dem endgültigen Sieg über Napoleon im September 1815 in Paris zur sogenannten Heiligen Allianz zusammen. Das erklärte Ziel dieses Allianzvertrages bestand in der Sicherung eines „Ewigen Friedens“ durch Selbstverpflichtung der Monarchen auf die Grundsätze christlicher Nächstenliebe. Doch aus dieser Beschwörung einer gemeinsamen christlichen Gesinnung leitete sich die Absichtserklärung der Unterzeichner ab, untereinander im Falle revolutionärer Regungen „bei jeder Gelegenheit und an jedem Orte Beistand und Hilfe [zu] gewähren“, um „den menschlichen Einrichtungen Dauer [zu] verleihen“. Im Kern ging es um die Aufrechterhaltung beziehungsweise Wiederherstellung der monarchischen Herrschaft auf Basis des Gottesgnadentums. Die antirevolutionäre Stoßrichtung des Vertrages, dem sich in der Folgezeit fast alle europäischen Monarchen anschlossen, entfaltete in den Folgejahren eine beträchtliche Wirkung: Zwischen 1820 und 1822 wurde ein gemeinsames Vorgehen gegen die revolutionären Unruhen in Italien und den nationalen Befreiungskampf der Griechen sowie im Hinblick auf die spanische Revolution beschlossen – bevor die Allianz an Interessengegensätzen zerbrach.
Auf Bewahrung des Status quo zielte auch die Politik im Deutschen Bund, die von der Großmacht Österreich dominiert wurde. Schlüsselfigur war Österreichs Außenminister, Klemens Wenzel Fürst von Metternich, der bereits beim Wiener Kongress eine entscheidende Rolle gespielt hatte – und dessen restaurative Politik in der Folgezeit das Geschehen wesentlich mitbestimmte. Als Wahrer monarchischer Interessen betrieb er eine auf die Wiederherstellung und Sicherung der monarchischen Ordnung ausgerichtete Politik (Restauration). Mittel zu diesem Zweck war die Unterdrückung freiheitlicher Ideen (Demokratie, Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit) sowie nationaler und liberaler Bewegungen. Zunehmend geriet ein Personenkreis in den Fokus des „Metternich‘schen Systems“, dessen Einsatz in den Befreiungskriegen willkommen gewesen war: die akademische Jugend. Dort fanden nationale und liberale Ideen viele Anhänger.
© Dr. Lars Lüdicke (Deutsche Gesellschaft e. V.)