Vor 1800
Amerikanische und Französische Revolution
Die Amerikanische Revolution
Die Amerikanische Revolution führte zur Loslösung der 13 nordamerikanischen Kolonien vom Britischen Empire und zur Begründung der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Revolutionszeit begann im Jahr 1763, als sich Kolonisten gegen die vom Mutterland verhängten Gebühren und Zölle auflehnten. Dieser Konflikt mündete in eine Rebellion und schließlich in den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg, der mit einer britischen Niederlage und der Anerkennung der Unabhängigkeit der USA (1783) endete.
Weltgeschichtlich bedeutend war nicht nur die Herausbildung eines freien, souveränen und unabhängigen Staates, der sich im 19. und 20. Jahrhundert zu einer Groß- und Supermacht entwickeln sollte. Welthistorisch herausragend waren auch die in der Revolution hervorgebrachten demokratisierenden Tendenzen, die in Verfassungen von Einzelstaaten und in die förmliche Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten (4. Juli 1776) eingingen.
Vom Gedankengut der Aufklärung geprägt, wurden zum ersten Mal in der Geschichte bestimmte Prinzipien, die noch heute gültig sind, zu angeborenen Grundrechten aller Menschen erklärt. Dazu gehörten: Freiheit, Gleichheit, das Recht auf Leben und das Streben nach Glück. Auch die staatsrechtliche Verankerung des Prinzips der Volkssouveränität war neu: Erstmals wurde in einem Flächenstaat eine Regierung ohne gekröntes Oberhaupt geschaffen – also das Prinzip eines Herrschers von Gottes Gnaden zugunsten des Prinzips der Volksherrschaft umgekehrt. Die amerikanische Revolution schuf keine neue Eigentums- und Gesellschaftsordnung, veränderte aber die Verfassungsordnung fundamental. Aufgrund dieses spezifischen revolutionären Charakters wird die amerikanische Revolution mitunter als „Verfassungsrevolution" bezeichnet. Sie war ein Meilenstein in der Geschichte der Demokratie – aber sie schuf noch keine demokratische politische Ordnung, weil demokratische Rechte nicht für Frauen, Besitzlose, Sklaven und Indigene galten.
Während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges gegen England hatte sich Frankreich auf der Seite der Kolonialisten engagiert. Auch nach der amerikanischen Revolution gab es einen regen Austausch von Ideen und viele persönliche Kontakte. Die wohl bekannteste Persönlichkeit, an der sich die gegenseitigen Einflüsse aufzeigen lassen, war Thomas Jefferson. Er zählte zu den Gründervätern der Vereinigten Staaten – und wurde später zum amerikanischen Botschafter in Paris ernannt (1785 bis 1789).
Die Französische Revolution
Aus der amerikanischen Revolution mitsamt ihren Ideen kamen somit wichtige Impulse für die Französische Revolution. Zu den Ursachen dieser Revolution gehörte aber auch der große Reformbedarf in Frankreich, dessen Königsdynastie die uneingeschränkte – absolute – Macht beanspruchte. Zudem galt eine aus dem Mittelalter stammende Einteilung in drei Gesellschaftsstände: den Klerus (Geistlichkeit), den Adel sowie den Dritten Stand, dem die restlichen 95 % der Bevölkerung zugerechnet wurden. Auch das gebildete städtische Bürgertum zählte zum Dritten Stand. Es war häufig sehr vermögend und kritisierte die gesellschaftliche Ordnung mit ihrer ungerechten Verteilung von Lasten (z. B. Steuerzahlungen) und Privilegien (z. B. Steuerfreiheit). Alle Reformen, etwa im Sinne der Forderungen nach mehr Mitbestimmung, blieben jedoch in den Ansätzen stecken, weil die Vertreter der alten Ordnung auf die Beibehaltung des Status quo hinarbeiteten. Als die Hungers- wie Finanznöte für immer mehr Menschen existenzbedrohend wurden, entluden sich die tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Missstände in der Revolution (1789). Sie führte zur Abschaffung des feudal-absolutistischen Ständestaats und zur Proklamation grundlegender Werte und Ideen der Aufklärung (Menschenrechte).
Die Revolution bewirkte eine revolutionäre Umgestaltung der französischen Gesellschaft und die Herausbildung der französischen Nation. Zumeist wird die Revolution in folgende drei Phasen unterteilt:
Die erste Phase (1789–1791) war durch den Kampf für bürgerliche Freiheitsrechte und für die Schaffung einer konstitutionellen Monarchie gekennzeichnet.
In der zweiten Phase (1792–1794) nahm die neu geschaffene Republik immer stärker radikaldemokratische Züge an. Zur Rettung der Republik vor inneren wie äußeren gegenrevolutionären Bedrohungen wandelte sich die Revolutionsregierung zu einer Revolutionsdiktatur, die mit Mitteln der Einschüchterung, Unterdrückung und des Terrors gegen alle „Feinde der Revolution" vorging. Gegen diese Schreckensherrschaft der Jakobiner formierte sich eine Opposition, die deren Führer (Maximilien de Robespierre) hinrichtete und ihr Terrorregime, das 25.000 bis 40.000 Opfer forderte (davon mehr als 16.000 vollstreckte Todesurteile durch Enthauptungen mit dem Fallbeil), beendete.
In der dritten Phase (1795 bis 1799) lag die Staatsgewalt im Wesentlichen bei einem fünfköpfigen Kollegialorgan, dem Direktorium. Die Direktorium-Verfassung war nach den beiden vorangegangenen Verfassungen die dritte und letzte der französischen Revolution. Zwischen 1795 und 1799 gab es insgesamt sechs Direktorien, deren Herrschaft durch Napoléon Bonaparte beendet wurde. Er ergriff 1799 die Staatsgewalt in Frankreich und löste in einem Staatsstreich das Direktorium auf. Zudem erklärte er die Revolution, zehn Jahre nach ihrem Anfang, für beendet.
Napoléon war bereits vor seiner Machtübernahme zum Ordnungs- und Machtfaktor in Frankreich aufgestiegen. Österreich und Preußen hatten nämlich ein Bündnis (Koalition) gegen das revolutionäre Frankreich gebildet, dem sich später weitere Staaten anschlossen. Ihr Ziel war es, die Revolution beziehungsweise ihre Auswirkungen rückgängig zu machen und ihr Ausgreifen auf andere europäische Staaten zu verhindern. Bis 1795 konnte keine Seite den 1792 begonnenen Krieg für sich entscheiden. Erst 1776 zeichnete sich eine Wende ab, nachdem Napoléon der Oberbefehl über ein Armeekommando übertragen worden war.
Mit einer Serie militärischer Siege begann zugleich Napoléons Aufstieg zum populären Heerführer in Frankreich, der vielen bald als Retter in der Not erschien: Krieg und Revolution hatten zu einer großen Krise geführt, in der seine Machtübernahme als Ausweg aus wirtschaftlicher Verelendung, revolutionärer Unsicherheit und militärischer Bedrohung erschien. Deshalb fand der Staatsstreich von 1799, mit dem Napoléons Herrschaft begann, zahlreiche Unterstützer.
Nachdem er die Macht übernommen hatte, begann Napoléon, seine Herrschaft abzusichern und auszubauen. Faktisch regierte er schließlich als Alleinherrscher in einem diktatorischen Regime mit plebiszitären Elementen. Seine Herrschaft endete nach einer Serie von teils ineinander übergehenden Kriegen, die er an verschiedenen Schauplätzen gegen unterschiedliche Koalitionen führte.
Die Auswirkungen der Revolution reichten weit über die Grenzen Frankreichs und die Zeit der napoleonischen Herrschaft hinaus. In vielfacher Hinsicht gilt die Französische Revolution als einer der wichtigsten politisch-sozialen Wendepunkte in der europäischen Geschichte. Sie beseitigte nicht nur die absolutistische Herrschaft und die Vorrechte von Adel und Kirche in Frankreich. Vielmehr haben die Ideale und Werte der Revolution zu tiefgreifenden macht- und gesellschaftspolitischen Veränderungen in ganz Europa beigetragen und das moderne Demokratieverständnis entscheidend beeinflusst. Die von der französischen Nationalversammlung verabschiedete Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte sowie die Forderung nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit hatte nachhaltige Auswirkungen auf nahezu allen europäischen Staaten.
© Dr. Lars Lüdicke (Deutsche Gesellschaft e. V.)